Donnerstag, 12. August 2010

Kirkenes - Boomtown am Ende de Welt

Kirkenes ist ein Dorf in der Tundra von Norwegen, weit hinter dem Nordkap, dort, wo die Küstenlinie schon ein Stück nach Südosten abgebogen ist. Einwohnerzahl: etwa 4000. Oder ist es vielleicht doch eine Stadt? Kirkenes bietet schliesslich alles, was man so braucht: Supermärkte, Einkaufszentren, Krankenhaus, Schwimmhalle, Sportplatz, ein staatliches Weingeschäft, Kinos, Hotels, einen Flugplatz… und es ist die letze Station der Hurtigrute und damit Tourismuszentrum. Es gibt sogar ein russisches Konsulat – die russische Grenze ist immerhin schlappe 10 Kilometer Luftlinie entfernt. Ausserdem ist Kirkenes Zentrum der Barentsregion, welche die Gebiete an der Barentssee umfasst: ein Stück Nordnorwegen und Nordwestrussland, und damit Dreh- und Angelpunkt der Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Russland. Alljährlich findet das Barentsspektakel statt, ein gigantisches Kulturfestival mit internationaler Beteiligung, das sich auf die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit der arktischen Völker konzentriert. Unter anderem dabei: das Transborder-Cafe. Hier debattieren Russen und Norweger über heisse politische Themen - ehrlich, fair, kompetent. Und: Auf Augenhöhe. Grosszügig finanziert werden solcherlei Projekte vom Barentssekretariat, welches sich selbstverständlich in Kirkenes befindet.

Seit 1991 sind immer wieder Russen zugezogen und haben eingeheiratet; inzwischen machen sie etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus. Dazu kommen die russischen Einkaufstouristen aus den grenznahen Städten Nikel und Sapoliarny, sowie russische Seeleute, die immer mal ihre Schiffe im Hafen verankern und sich sonst im Seemannsklub vergnügen. Ein Teil dieser russischen Schiffe steht im Hafen rum und gammelt vor sich hin. Angeblich sind sie von der norwegischen Regierung „arrestiert“ worden und liegen seitdem fest, da die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind. Einmal im Monat findet in Kirkenes russischer Markt statt, mit Klamotten, Kristall- und Porzellanwaren, sowie dem obligatorischen Touristenkitsch. Richtig anheimelnd sieht der Markt im Winter aus, wenn im Dunkel der Polarnacht der Marktplatz mit einigen kleinen Funzeln beleuchtet wird. Das einzige, was man beim Vorbeigehen erkennen kann, sind die eingemummelten Babuschkas, der Schnee und das glitzernde Kristall. Einige Russen meinen sogar, Kirkenes wäre ein russisches Dorf. Warum auch nicht: Auf Schritt und Tritt hört man Russisch, ob in den Geschäften oder auf der Strasse. Verkäuferinnen sprechen oft Norwegisch mit russischem Akzent. Die Strassenschilder in Kirkenes und auf dem Weg zur Grenze sind zweisprachig: Russisch und Norwegisch.

Während die russischen Einkaufstouristen hauptsächlich zum Klamotten-Shoppen nach Kirkenes kommen, haben die Norweger weitaus vielfältigere Gründe für ihre Russland-Reisen: Das nahegelegene Murmansk lockt schon einmal mit einem gigantischen Angebot an vollen Supermärkten, an Cafes, Restaurants, Einkaufszentren, Nachtleben. Und nicht zuletzt bietet Murmansk – aus norwegischer Sicht – spottbillige Zahnärzte, Optiker, Autowerkstätten, Wellness-Bäder, Tankstellen, Frauen und Wodka. Genau das, was so mancher Norweger in Kirkenes vermisst…

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